Hilfe konkret und unmittelbar

Mai 2013

Aktion Solidarität packt einen Container.

LKW aus Hamburg Hafen
Der LKW aus Hamburg Hafen mit dem 40 Fuß langen Schiffscontainer.

Es ist ein Highlight im Vereinsleben der Tirschenreuther Aktion Solidarität: Das alljährliche Beladen eines Containers mit Hilfsgütern für Ruanda. Pünktlich um 8.30 Uhr rollt ein schwerer LKW auf das Gelände vor die Lagerräume der Aktion Solidarität. Auf der Ladefläche befindet sich ein 40 Fuß langer Schiffscontainer. Viele ehrenamtliche Helferinnen und Helfer der Aktion Solidarität haben sich schon seit Wochen und Monaten auf diesen Moment vorbereitet. Denn ab jetzt zählt jede Minute. Nur ein kleines Zeitfenster von maximal 6 Stunden bleibt, um den riesigen Laderaum anzufüllen. Jeder Quadratzentimeter soll ausgefüllt werden. Decken und Bettwäsche, Textilien und Windeln verpackt in Kartons unterschiedlicher Größe finden vorübergehend eine neue Funktion als Beipack oder Füllmaterial. Anneliese Müller, erste Vorsitzende und treibende Kraft der Aktion Solidarität, schwört ihre Helfer nochmals ein: „Bitte nützt jeden Millimeter. Wir dürfen auf keinen Fall bayrische Luft verladen!“ Dass dies aber sowieso nicht passiert, kann sich Frau Müller sicher sein. Die Helfer sind ein eingespieltes Team, jeder Handgriff sitzt.

Container Innenansicht
10 Meter tief ist die Ladefläche unseres Containers.

In Ruanda wird derweil schon sehnlichst die Lieferung mit den Hilfsgütern aus Tirschenreuth erwartet. Die 20 Krankenbetten, komplett mit Matratzen, Decken und Bettwäsche und zum Teil mit Nachtkästen werden in einem Krankenhaus in Kigali dringend benötigt. Dazu 3 Toilettenstühle, 10 Krankenfahrstühle, 6 Rollatoren, eine Industrie-Waschmaschine und ein Kühlschrank füllen die ersten 40 Kubikmeter des Containers. Verladen wird nur einwandfreie Ware. Alle Textilien wurden vorher frisch gewaschen, alle anderen Gegenstände penibel gereinigt. Dank der Spenden können 20 saubere Matratzen mit auf die Reise gehen. Ein Arzt muss mit seiner Unterschrift die Keimfreiheit der Ladung bescheinigen. Für die technischen Geräte gelten ebenfalls strenge Vorschriften. So muss der Kühlschrank nachweislich FCKW-frei und für Medikamente zertifiziert sein.

das Ladeteam
Ein Teil des Ladeteams, allesamt ehrenamtliche Mitarbeiter.

Der Verlademarathon geht in die zweite Runde. 60 Fahrräder stehen jetzt auf der Ladeliste. In ungezählten Stunden wurde jedes Fahrrad auf Herz und Nieren überprüft, Schlauch und Mantel erneuert, Bremsen und Speichen eingestellt. Für den Transport wurden die Pedale nach innen geschraubt und der Lenker quer montiert. Das spart wertvollen Laderaum. Mit dieser Technik macht der ganze Fuhrpark an „Drahtelsen“ gerade mal 16 Kubikmeter aus. Selbst die Helfer sind ein jedes Mal wieder überrascht, wie viel Fasungsvermögen solch ein Schiffscontainer hat.

Für die nächsten Hilfsgüter sind starke Männer gefragt. Ohne den Einsatzes eines Gabelstaplers wäre hier nichts auszurichten. 42 Nähmaschinen, zu zweien verpackt in 21 Transportkisten, müssen verladen werden. Eine schweißtreibende Angelegenheit, zumal die Uhr unerbittlich den Takt vorgibt. Jede weitere Standstunde des Containers kostet extra. Frau Geroldine Ondrusek, seit den Anfängen vor 30 Jahren schon bei jeder Verladeaktion immer mit dabei, weiß um die Wichtigkeit solcher Nähmaschinen: „Die Frauen in Ruanda können mit solch einer Maschine ihre Familie ernähren.“ Deshalb wurde jede Maschine von Grund auf überholt, Verschleißteile besorgt und ersetzt und schließlich wird jede einzelne Maschine eingenäht. Ein kleines Stück weißer Stoff unter dem Nähfuß gilt als Beweis für volle Funktionstüchtigkeit. Doch auch hier gibt es keinen Platz zu verschenken. Jeder freie Winkel in den Transportkisten wird geschickt mit Geschirr, Bekleidung, Schul- und Schreibbedarf gefüllt. Diese Ladetechnik bestätigt wieder mal ein altes Sprichwort: „Not macht erfinderisch“, was auch für das Verstauen von Hilfsgütern gilt.

Waschmaschine
Eine Industrie-Waschmaschine, gesponsort von Tirschenreuthern Geschäftsleuten. Vergelt's Gott!

Zum Schluss wird es nochmals spannend. Große Werkzeugmaschinen müssen noch hinein. Ob die wochenlange Planung und Vorarbeit aufgeht, zeigt sich jetzt auf der Zielgeraden. Eine schwere Schustermaschine, eine Drechselbank, eine Schultafel und eine Bügelmaschine werden hineingehoben. Füllmaterial ist hier nicht mehr nötig, die Kisten passen auf den Zentimeter genau. Die schweren Türen des Containers können wieder verschlossen werden. Das Helferteam kann aufatmen. „Wir haben es mal wieder geschafft!“, bescheinigt zweiter Vorsitzender Günter Kopf seinen Mitstreitern und sieht in erschöpfte, aber zufriedene Gesichter. Schließlich gibt es für alle Beteiligten eine Brotzeit, die sich das Ladeteam der Aktion Solidarität redlich verdient.

letzte Transportkiste
Das Ladeteam auf der Zielgeraden; die letzte Transportkiste kann verladen werden.

Schon rollt der große Container wieder vom Hof und macht sich auf die sechs Monate lange Reise in den Hafen von Dar Es Salam (Tansania). Das letzte Stück des Weges geht der Transport nochmals über die Straße, da Ruanda keinen eigenen Hafen hat. In Kigali kann Pater Danko Litirc die wertvolle Fracht aus Tirschenreuth in Empfang nehmen. Und nicht nur das: Auch der Kaufcontainer selbst bleibt vor Ort und dient im Jugendzentrum Gatenga als abschließbarer Lagerraum.

Zwar ist Ruanda glücklicherweise noch zollfrei, doch der Ankauf des gebrauchten Containers und die hohen Transportkosten fordern von der Vereinskasse einen hohen Tribut: Trotz eines Zuschusses der GIZ schlägt der Löwenanteil im guten vierstelligen Eurobereich zu Buche, zumal sich das gleiche Szenario in ein paar Tagen mit einem 20 Fuß großen Container wiederholt. Deshalb ist die Aktion Solidarität immer auf der Suche nach Sponsoren oder privaten Spendern. Helfen Sie uns, damit wir helfen können. Unsere Hilfe ist konkret und unmittelbar. Und unsere Projekte verfolgen langfristige Ziele: Hilfe zur Selbsthilfe. Herzlichen Dank! Vergelt’s Gott.

Werner Fritsch, Webmaster